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Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 11.09.2002
Aktenzeichen: 4 U 108/2002
Rechtsgebiete: BGB, GG, StraßenG
Vorschriften:
BGB § 839 Abs. 1 S. 1 | |
GG Art. 34 S. 1 | |
StraßenG § 3 Abs. 1 Nr. 3 | |
StraßenG § 2 Abs. 2 Nr. 1 b | |
StraßenG § 9 | |
StraßenG § 44 | |
StraßenG § 59 |
Die Gefahr, dass es hierbei durch das Wegschleudern von Steinen oder anderen Gegenständen zu einer Verletzung von Straßenbenutzern kommen kann, ist im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren vom Sicherungspflichtigen möglichst weitgehend zu vermeiden. Dabei dürfen an die Zumutbarkeit keine überzogenen Anforderungen gestellt werden.
Das danach verbleibende Restrisiko hat der Verkehrsteilnehmer selbst zu tragen.
Oberlandesgericht Stuttgart - 4. Zivilsenat - Im Namen des Volkes Urteil
Geschäftsnummer: 4 U 108/2002
Verkündet am: 11. September 2002
In Sachen
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart im schriftlichen Verfahren gem. § 128 Abs. 2 ZPO mit einem Schriftsatzrecht bis zum 04. September 2002 unter Mitwirkung
der Vors. Richterin am OLG Dr. Sulzberger-Schmitt, des Richters am OLG Dr. Herdrich sowie der Richterin am LG Tschersich
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Tübingen vom 16. Mai 2002 - Az.: 4 O 16/2002 - abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Streitwert der Berufung: 865,10 €.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. §§ 313a Abs. 1 Satz 1, 543, 544 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 517, 519, 520 ZPO). Auch den Anforderungen an die Darlegung der Berufungsgründe wurde genügt, §§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 und 3, 513 Abs. 1, 546, 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Das Rechtsmittel ist damit zulässig.
Die Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg.
1.
Der von der Klägerin aus abgetretenem Recht (§ 398 BGB) geltend gemachte Schadensersatzanspruch gem. § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 34 Satz 1 GG ist nicht gegeben.
Die Voraussetzungen des Amtshaftungsanspruchs liegen nicht vor, weil die Beklagte durch ihren Bediensteten keine ihr obliegende Amtspflicht verletzt hat.
Grundsätzlich ist die Beklagte für die Ortsdurchgangsstraße verkehrssicherungspflichtig, denn hierbei handelt es sich um eine Gemeindestraße, für die sie die Baulast trägt (§§ 3 Abs. 1 Nr. 3, 9, 44 Straßengesetz für Baden-Württemberg). Dabei gehören zum Straßenkörper nicht nur die Fahrbahnen, sondern auch Geh- und Radwege sowie Trenn-, Seiten-, Rand- und Sicherheitsstreifen (§ 2 Abs. 2 Nr. 1b StraßenG).
Die gegenüber den Straßenbenutzern bestehende Verkehrssicherungspflicht ist eine Amtspflicht im Sinne von § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 34 Satz 1 GG, da die Beklagte insoweit hoheitlich tätig wird (§ 59 StraßenG).
Der Inhalt der rechtlich selbständig neben der Straßenbaulast stehenden Verkehrssicherungspflicht geht dahin, die öffentlichen Verkehrsflächen möglichst gefahrlos zu gestalten und zu erhalten, sowie im Rahmen des Zumutbaren alles zu tun, um den Gefahren zu begegnen, die den Verkehrsteilnehmern aus einem nicht ordnungsgemäßen Zustand der Straßen, Wege und Plätze unabhängig von deren baulichen Beschaffenheit drohen, wozu z.B. das Streuen, die Reinigung und die Beleuchtung zählen (Soergel, BGB, 12. Aufl. 1S98, § 839 Rn. 119 m.w.N.).
Damit umfasst der Umfang der Verkehrssicherungspflicht auch das Mähen von zum Straßenkörper gehörenden Grünstreifen.
Die Gefahr, dass es hierbei durch das Wegschleudern von Steinen oder anderen Gegenständen zu einer Verletzung von Straßenbenutzern kommen kann, ist nicht ganz abwegig und im Rahmen des - wirtschaftlich - Zumutbaren von der Beklagten und ihren Bediensteten möglichst weitgehend zu vermeiden.
Entscheidungserheblich ist dabei allein, welche Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen waren, um Schädigungen durch weggeschleuderte Steine und Gegenstände zu verhindern.
Die erstinstanzliche Beweisaufnahme, insbesondere die Vernehmung des Zeugen V hat ergeben, dass der benutzte Rasenmäher mit einem Grasauffangbehälter ausgestattet war. Dem Lichtbild (Bl. 58) ist zu entnehmen, dass die seitlichen Schutzbleche um die rotierenden Messer sehr weit herunter reichen, so dass sie vollständig verdeckt sind. Es muss deshalb davon ausgegangen werden, dass der erst ca. 3 Monate zuvor gekaufte Rasenmäher nicht nur dem neuesten Stand der Technik entsprach, sondern auch einen optimalen Schutz vor dem Wegschleudern von etwaigen Gegenständen bot.
Der Einsatz eines Balkenrasenmähers dürfte entsprechend der Einlassung der Beklagten für das Mähen des kleinen und schmalen Grünstreifens nicht geeignet gewesen sein. Abgesehen davon ist auch bei einem solchen Mähgerät das Herausschleudern von Gegenständen nicht gänzlich ausgeschlossen.
Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu diesen Fragen erübrigt sich, da bei der Abwägung im Rahmen der Zumutbarkeit keine überspitzten Anforderungen zu stellen sind.
Als weitere Sicherungsmaßnahme wurde vom Zeugen V vor dem Mähen das Rasenstück danach abgesucht, ob sich auf ihm größere Gegenstände befinden. Diese Aussage widerspricht nicht der des Zeugen M, da dieser zum Verhalten des Zeugen V vor dem Mähen nichts sagen konnte, lediglich dass er im Nachhinein drei etwa kastaniengroße Steine entdeckt habe.
Hieraus kann aber nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, die Beklagte habe im Umfang des Zumutbaren ihrer Versicherungspflicht nicht genügt. Es kann nicht erwartet werden, dass die Bediensteten der Gemeinde vor den Mäharbeiten die Grünflächen Zentimeter um Zentimeter auch nach kleineren Gegenständen und Steinen absuchen. Dies steht außer Verhältnis zu der - wenn auch nicht ganz abwegigen, aber sich allenfalls in einem geringen Umfang aktualisierenden - Gefahr des Wegschleuderns etwaiger Gegenstände während des Mähvorgangs, nachdem der Rasenmäher selbst im Hinblick auf seine Schutzvorkehrungen bereits zu einer optimalen Gefahrenminimierung führt.
Unter den hier gegebenen Umständen kommt der Senat vielmehr zu dem Ergebnis, dass Schäden an einem Kfz durch bei Mäharbeiten hochgeschleuderte Steine für den Kraftfahrer ein allgemeines Risiko darstellen, das dieser selbst zu tragen hat (so auch: LG München I, DAR 1999, 552).
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Rostock (DAR 1998, 474) ist allein deshalb nicht einschlägig, weil es in dieser um eine Haftung gem. §§7, 17 StraßenVG geht, bei der die Zumutbarkeitsfrage keine Rolle spielt, die aber im vorliegenden Rechtsstreit gerade für den Umfang der Verkehrssicherungspflicht von ausschlaggebender Bedeutung ist.
Das Urteil des Landgerichts Zwickau (DAR 2000, 37) befasst sich mit einem anderen Sachverhalt. Hier ging es nicht um den Schutz des fließenden Verkehrs, sondern um abgestellte Fahrzeuge, die während des Mähens des Gemeindelandes problemlos mit einer Schutzfolie hätten abgedeckt werden können. Beim nicht ruhenden Verkehr käme allenfalls eine Sperrung der Straße in Betracht, was unverhältnismäßig wäre - gerade auch bei einer Ortsdurchgangsverbindung.
Damit steht der Klägerin der von ihr geltend gemachte Schadensersatzanspruch gem. § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 34 Satz 1 GG nicht zu. Eine Amtspflichtverletzung der Beklagten ist nicht feststellbar.
Auf ihre Berufung war demgemäß unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage abzuweisen.
2.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 ZPO und die über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i.V.m. §§ 543, 544 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO.
3.
Die Revision wird nicht zugelassen (§§ 543, 544 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO).
Ende der Entscheidung
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